Das Wunder im Planetarium

1. Kapitel

Licht. Stellas Augenlider flatterten. Dunkelheit. Undefinierbare Laute, die schwach in ihr Ohr drangen. Verwirrt sah sich um. Ihr Kopf dröhnte, ein brennender Schmerz durchzuckte ihren Körper. Wo war sie? Sie schloss die Augen. Erinnerungsfetzen blitzen in ihr auf. Das Planetarium. Alles abschließen. Wie jeden Abend. Die Treppe zur Kuppel. Dann, die Kühltasche. Ein Gegenstand, der dort nichts zu suchen hatte. Die Treppe. Jäh dieser ohrenbetäubende Lärm. Gefolgt von namenlosen Schmerzen. Unvorstellbar. Als überrolle sie eine heiße Dampfwolke. Stella versuchte, sich zu bewegen. Kein Glied gehorchte. Sie war gelähmt, völlig unfähig auch nur den Daumen zu bewegen.

»Hilfe!«, wollte sie rufen, lediglich ein Röcheln schaffte es über ihre Lippen. Tränen stiegen ihr in die Augen, sie wusste, dass etwas sehr Schlimmes geschehen war. Ihr Gehirn lieferte ihr aber nicht die gewünschte Information. Sie erinnerte sich nur, dass sie abschließen musste. Die Treppe. Die Kühltasche und dann … Schrecken. Das Grauen höchstpersönlich. Hilfe, sie brauchte Hilfe. Ihr Funkgerät. Sie musste an das Funkgerät kommen. Bloß hing der an ihrem Gürtel und sie lag irgendwie drauf. Sie konnte ihn nicht erreichen. Es war hoffnungslos.
»Schlaf«, flüsterte ihr eine sanfte, verführerische Stimme. Warum denn nicht? Sie war so müde, so schwach. Der Schlaf würde sie von der Qual erlösen. Sie schloss die Augen, bereit dieser Versuchung zu erliegen. Licht. Schon wieder. Ihre Augen öffneten sich erneut. Ein Straßenfeger beugte sich über sie, strich ihr sanft über die Stirn.
»Vater?«
Stella wusste nicht, wie ihr geschah. Ihr Vater starb vor einem Jahr. Er konnte es nicht sein.
»Ja, mein Kleines. Ich bleibe bei dir, bis dich die Feuerwehr aus den Trümmern befreit hat. Du darfst nicht schlafen.«
Er sprach in ihren Gedanken, erzählte ihr von ihrer Kindheit. Irgendwann sah sie fremde Gesichter über sich. Eine alles erlösende Ohnmacht folgte.

Als sie aufwachte, lag sie im Krankenhaus. Der Fernseher lief. In den Nachrichten sah sie ihr Foto, darunter die Sensationszeile: Nachtwächterin überlebt Bombenanschlag im Planetarium. Der Titel der Schlagzeile: Das Wunder im Planetarium.

Das Handy klingelt. Eigentlich wollte er erst morgen früh anrufen.
»Bist du wahnsinnig!«, Jonas hat ihn noch nie so wütend erlebt.
»Nein, es waren unglückliche Umstände.«
»Du sollst nicht lügen und erst recht nicht morden!«
»Du kennst mich doch, Bruder.« Nein, wie sollte er, aber das ist bei Freelancerjobs auch gut so. »Übertrat ich jemals die Gebote?«
»Ja, als du mir sagtest, dass du die Aktion unter Kontrolle hast.«
»Was willst du?«, Jonas hätte sich nie auf einen Anfänger einlassen sollen. Der Kunde müsste eigentlich wissen, dass Kollateralschäden nicht zu verhindern sind.
»Sie ging zu früh hoch.« Wieso meint Jonas Sorge in der Stimme seines Kunden zu hören? »Gott sei Dank fand ein Straßenfeger die Mitarbeiterin vor dem Planetarium und rief den Rettungswagen. Sie wird überleben.«
»Das Paket wurde pünktlich geliefert. 21 Uhr war die letzte Vorstellung und um 22 Uhr wurde geliefert. Das mit der letzten Vorstellung habe ich selbst überprüft. Also waren entweder deine Daten falsch oder du hast Mist gebaut.«
Nach einer kurzen Pause poltert er los, »GMT du Anfänger. Seit wann wird Lokalzeit verwendet. Wo hast du nur dein Handwerk gelernt. Wegen dir landen wir noch alle in der Hölle.«
»Jetzt mach' mal nicht die Pferde scheu.« Einen Anfänger lässt sich Jonas auf keinen Fall nennen, »Erstens werden Zeiten in Lokal angegeben, es sei denn, es handelt sich um zonenübergreifende Aktionen. Davon war nie die Rede. Zweitens war eure Kühltasche falsch montiert. Sie hätte niemals durchgezündet. Seid froh, dass ich das korrigierte, sonst wär euer Knallfrosch niemals gesprungen.«
»Sollte er auch nicht!«, das kam unerwartet.
»Der Auftrag lautete Positionieren und Fernzünder betätigen. Von einer Reparatur war keine Rede.«
»Das ist nicht mein Problem. Ich erwarte mein Honorar. Schließlich wurde das Paket versendet.«
»Für so eine Stümperei zahlen wir nicht!«
»Ihr werdet, denn wenn das Geld nicht innerhalb von 24 Stunden auf meinem Konto ist, solltet ihr in Zukunft Kühltaschen meiden.« Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Jonas auf und schalte die Nachrichten ein. In einer endlosen Schleife wird vom 'Wunder im Planetarium' berichtet bei der eine Frau von ihrem toten Vater am Leben gehalten wurde. Das ist fast ein Grund den Glauben wieder zu finden.

»An was können Sie sich erinnern, Frau Tramontin?«
Müde blickte Stella auf Kommissar Fuchs, bis auf ihren von goldgelbem Licht umhüllten Vater konnte sie sich nicht erinnern.
»Ich drehte zehn Minuten vor elf, wie üblich meine Runde. Türen kontrollieren, dann die Treppe. Der Knall. Mehr weiß ich nicht mehr.«
Thomas Fuchs kritzelte eifrig in seinem Block.
»Ihre Runden, gehen Sie die Runden immer zur gleichen Zeit?«
Stella nickte, müde. Sie wollte schlafen, alles vergessen.
»Gab es etwas Besonderes in letzter Zeit? Drohbriefe, unzufriedene Gäste, auffällige Personen?«
Stille der Konzentration betrat den Raum. Thomas merkte, wie sehr die Fragerei die junge Frau anstrengte.
»Ruhen Sie sich aus. Ich komme morgen nochmal vorbei. Wir lassen einen Polizisten vor ihrer Tür, der Anschlag könnte auch Ihnen gegolten haben. Es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, bis wir mehr wissen.«
Thomas wandte sich zum Gehen, als Stellas Hand nach seinem Mantel griff.
»Mein Ex-Mann. Er ist gewalttätig und Soldat.«
Thomas ging, nicht viel schlauer als vorher aus dem Spital. Stellas Mann würde er überprüfen müssen, aber noch fehlte ein Indiz und niemand hatte sich bisher zum Anschlag bekannt. Alles was er bisher wusste, war, dass eine Bombe detonierte und sie vermutlich in einer Kühltasche deponiert war. Weitere Resultate würden erst in den nächsten Tagen vom KTU folgen. Bis dahin hieß es warten.

Die unchristliche Auseinandersetzung mit dem Auftraggeber lag Jonas schwer im Magen. Die üblichen Aufträge verlangen finale Lösungen. 'Viel Action mit wenig Kollateralschaden' ist schwer zu lösen.
Nach der Frist von 24 Stunden fehlte das Geld noch immer auf Jonas Konto. Jetzt begann der unnötige Teil der Mission. Diese Branche verzeiht keinen Gesichtsverlust.
Jonas Kontaktmann ist ein Kamerad aus alter Zeit. Sie dienten im gleichen Bataillon.
'Kunde zahlt nicht, e.o.m.' reichte als Mail auf einen sicheren Account vollkommen, um die Beschwerdehotline zu aktivieren.
'Kunde unzufrieden' kam nach 3 Minuten als Antwort.
'Knallfrosch wie geordert geliefert. Wo ist das Problem?'
'Ich kümmere mich darum!'

Am nächsten Morgen war wieder eine Mail von Georg T., dem Kontaktmann, in Jonas Postfach.
'Du bist zu gut.', schreibt er, 'der Kunde weigert sich wegen Übererfüllung. Habe so etwas noch nicht erlebt.'
'Und jetzt?'
'Kann nichts machen - mir sind die Hände gebunden.'
'OK. Ich berufe mich auf Artikel 21 des Vertrages. Nehme es jetzt selbst in die Hand', schrieb Jonas und schloss das verschlüsselte Mailprogramm.

Auswendig wählte Jonas die Mobilnummer des Auftraggebers. Speichern ist zu gefährlich, selbst auf einem Prepaidhandy, wie er es benutzte. Es klingelte drei Mal, dann wurde die Verbindung unterbrochen. Beim zweiten Versuch war die gewählte Nummer nicht mehr im Netz. Eine halbe Stunde später würde Jonas es ein letztes Mal probieren. Die Zeit lief, wie immer zu Gunsten des Jägers.

Die meisten Kunden lesen die Verträge nicht richtig durch. Laut Artikel 21 kann Jonas, nach eigenem Ermessen, die ausstehende Bezahlung eintreiben. Ein Mahnwesen gibt es nicht, dafür Kühltaschen fast überall zu kaufen. Der Rest ist etwas schwieriger zu besorgen, was jedoch kein Problem darstellt, mit einem gut bestückten Lager in der Hinterhand.

In Gedanken verloren, rührte Thomas Fuchs in seinem Kaffee. Die arme Stella tat ihm leid. Sie hatte überlebt, würde aber Narben an den Händen und im Gesicht behalten. Zwei Tage waren seit dem Anschlag vergangen und er hatte bisher nur Indizien. George Thomes, Frau Tramontins Ex-Mann war nicht aufzutreiben, die letzte bekannte Adresse, eine psychiatrische Klinik.
»Thomas, THOMAS.«
Sam, tippte ihn an der Schulter. Er wand sich um. Sie grinste, wedelte mit einem Dokument, auf dem das Logo der Bundeswehr prangte, in der Luft.
»Hier, das ist gerade per Fax gekommen. Herr Thomes Akte. Er war nicht einfacherer Soldat, er war auch Sprengstoffexperte. Seine Laufbahn war, bis zu seinem letzten Einsatz in Afghanistan, hervorragend. Er kam verändert zurück, litt unter posttraumatischem Stress. Was dahinten passiert ist, weiß keiner.«
Thomas rührte erneut in seinem Kaffee, als könne er somit Ordnung in seinen Gedanken schaffen. Diese Nachricht überraschte ihn kaum. Das Telefon schellte laut.
»Kommissar Fuchs, am Apparat. Ich höre.«
»KTU. Wir haben ein Problem. Wir rekonstruierten den Sprengsatz - mehr oder weniger - es ist das Werk eines Profis. Die Bombe war mit einem Zeitzünder versehen und in einer Kühltasche deponiert.«
Thomas schluckte. Keine gute Info. Kühltaschen konnte sich jeder besorgen. Schlimmer, sie waren harmlos, konnten überall auftauchen. In diesem Moment wünschte er sich, es wäre der Ex-Mann gewesen. Das Szenario eines Irren war erschreckend. Solang das Motiv nicht bekannt war, musste er sich auf alles gefasst machen.

Jonas Kunde lässt sich verleugnen. 'Glaubt er wirklich, er sei unsichtbar?', sind Jonas Gedanken, als er zusammenfasst, was er vom Kunden weiß. Der Auftraggeber kennt sich in dieser Stadt aus, wohnt wahrscheinlich hier, ist ein fundamental radikaler Christ, bibelfest und dumm genug einen Experten für Attentate um seinen Lohn zu prellen. Das Wichtigste ist jedoch die Handynummer. Ist zwar nur ein Prepaid Handy, aber selbst diese müssen sich in die Funkmasten einwählen. Im Darknet gibt es genügend Dienste zum Lokalisieren von Handys. Die Genauigkeit beträgt drei Meter. Das reicht aus, um das Stockwerk und das Zimmer zu bestimmen, in dem sich das Zielgerät befindet.

Das Tracking geht erstaunlich schnell. Jonas macht sich auf den Weg. Unterwegs holt er sich zwei Croissants, einen Kaffee, eine kleine Kühltasche und eine Packung Speiseeis. Vor dem Haus zeigt eine zweite Peilung des Handys, dass; das Ziel zwar außer Haus ist, sich jedoch auf dem Rückweg befindet. Zur Peilung gehört ein Forecasting. Es berechnet in Abhängigkeit zum Bewegungsprofil eine Ankunftszeit in vier Minuten zwanzig. Genug Zeit die Kühltasche zu platzieren und sich vor dem Haus auf die Lauer zu legen. Jonas geniest sein spätes Frühstück.

Mitten beim zweiten Croissant kommen eine Kleinfamilie und eine Gruppe von drei Männern in Sichtweite. Sie betreten nacheinander das Haus, ohne sich zu begrüßen. Als die Tür zufällt, wählt Jonas die ihm bekannte Nummer. Er geht dran.
»Ja«, meldet sich eine genervte Stimme.
»Ich bin's. Wo ist mein Geld?«
»Kann jetzt nicht reden.«
»Ich hoffe, das Eis schmeckt.« Jonas legt auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

Es dauert etwa zwanzig Sekunden, bis die Frau mit dem Kind eilends wieder das Haus verlässt. Jonas Handy klingelt, er geht dran.
»Können wir jetzt reden?«, fragt Jonas.
»Was wollen Sie?«, der Pulsschlag des Kunden ist hörbar.
»Mein Geld plus 10% Aufschlag für den Verzug. Das Eis und die Kühltasche sind inbegriffen - Geschenk des Hauses.«
»Was für ein Eis?«
»Machen sie die Tasche auf. Es ist die letzte Warnung. Überweisen Sie noch heute. Sie können ihre Frau und ihr Kind wieder zurückrufen.«

Stella nippte an ihrem heißen Tee, ihr Blick huschte scheu durch das Krankenzimmer. Vor ihr lag ein Flyer der »Bruderschaft des reinen Christentums«, eine böse Erinnerung an ihre Zeit als Ehefrau eines vom Krieg gestörten Mannes. Er hatte unter ihrem Teller mit den Worten:'Als Dienerin des falschen Glaubens wirst du für deine Sünden büßen. Schweige und dir wird vergeben werden. G.T.', gelegen. Heftig begann sie zu Zittern, die Schlagzeilen in der Morgenpresse ließen ihr Herz wild hämmern. In fetten Buchstaben stand dort:
'Anschlag auf Casino vereitelt.'
Erst das Planetarium, dann das Casino und diese Drohung. Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Nervös blätterte Stella in der Zeitung, unter der fetten Schlagzeile war ein Foto eines gewissen Michael Brown. Das Blut gefror ihr in den Adern, dieses runde, fast unschuldig aussehendes Gesicht war ihr nur zu vertraut. Es war Georgs Freund, der Übeltäter der, ihn dieser Sekte vorstellte. Stella griff nach ihrem Handy und wählte die Nummer von Kommissar Fuchs. Diesmal würde sie nicht fliehen, sie würde sich der Gefahr stellen. Drohen konnte ihr niemanden mehr, das Wunder hatte sie verändert, ihr neue Stärke gegeben. Sie wusste, dass die Sekte bisher nur drohte und betete. Aber in ihren Reihen gab es Anhänger, die glaubten, einzig Schrecken und Tod wären der Weg zur Bekehrung und Erstarkung des Glaubens. Ihr Ex-Mann geriet deswegen, als Rädelsführer dieser Minorität, mit dem Guru schon aneinander. Warum hatte sie das nicht sofort erwähnt? Vermutlich war sie zu schwach beim ersten Besuch des Kommissars gewesen oder sie hatte sich zu sehr eingelullt, dass ihre Vergangenheit sie nicht einholen könnte. Doch die Bedrohung war zurück.

Die Croissants stillten meinen ersten Hunger. Es ist später Vormittag. Heute Abend möchte ich mir Lachsfilets im Spinatbett zubereiten. Etwas Reis und Zutaten für eine passende Soße sind im Haus. Trotz allem stehen Einkäufe an.
Der Supermarkt ist zu dieser Zeit wie leergefegt. Überall sehe ich Kameras. Die kontinuierliche Überwachung ist mir suspekt. Nur mit Mühe kann ich meinen Drang unterdrücken, mich ständig umzuschauen. Ein spitzer Schrei mit einem nachfolgenden Donnergrollen aus unzähligen Konservendosen reißt mich aus meinen Gedanken. Der Lärm kommt aus der Reihe nebenan. Ich schaue nach und finde eine Frau halb unter Pfirsichdosen vergraben. Ein älterer Herr dreht sich um und fährt mit seinem Einkaufswagen auffällig schnell in Richtung Kasse. Die Frau unter den Dosen sieht panisch aus. Sie ist von vielen Verletzungen gezeichnet, darunter auch frische Verbrennungen.
»Ich helfe Ihnen«, rufe ich ihr zu und eile zu ihr hin.
»Nicht schon wieder«, sind ihre einzigen Worte. Blass wirkt sie, als ob hunderte Tonnen Gestein auf ihr liegen würden, auch wenn es nur ein paar Dosen sind. Die Pfirsiche sind von ihr weggeräumt, bevor die ersten Verkäufer ankommen. Unter ihre Arme greifend, helfe ich ihr, aufzustehen. Sie zittert wie Espenlaub.
»Haben Sie sich verletzt?«, frage ich nach.
Stumm schüttelt sie den Kopf. »Das ist nicht von hier«, haucht sie mit brechender Stimme, »danke!«
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Nein, vermutlich nicht.« Geistesabwesend geht sie weiter. Ihre Selbstbeherrschung ist bewundernswert. Die über den Schlamassel schimpfenden Verkäufer ignorierend stehe ich noch einige Minuten dort, wo sie mich stehen ließ. 'Warum kann ihr nicht helfen?', frage ich mich, 'was meint sie damit?, und woher kommen die Verbrennungen?'

Immer wieder las Thomas den Flyer der Bruderschaft des reinen Christentums. Seine Miene verfinsterte sich bei jeder neuen Lektüre. Er sah zu Stella, die zitternd vor ihm saß, auf.
»Und ihr Mann wollte Gewalt nutzen, um die Leute zu bekehren?«
Stella nickte geistesabwesend. Ihr ging der alte Mann, der sie im Supermarkt umgerannt hatte, nicht aus dem Sinn. Wer war er? Ein Lakai im den Diensten ihres Ex-Mannes? Mühsam hatte sie das Phantombild erstellt, doch die Beschreibung war zu allgemein. Alles ging so schnell. Ein Gehstock im Wagen, eine grüne Jacke und eine braune Kappe. Mehr wusste sie nicht mehr. Ob der Fremde, der ihr helfen wollte, als Zeuge dienen könnte? Vermutlich ja. Aber sie erinnerte sich nicht mehr, wie er aussah. Zu schnell hatte sie fortgewollt. Aber seine leise, freundliche Stimme, daran konnte sie sich gut entsinnen. Sollte sie dem Kommissar davon erzählen? Nein, immerhin war sie sich nicht sicher, ob der Helfer etwas gesehen hatte. Außerdem wollte sie niemanden gefährden. Wenn der Thomas Fuchs Bescheid wüsste, hätte der Fremde keine andere Wahl als auszusagen. Er würde sich dem Zorn ihres verrückten Ex-Mannes aussetzten. Das war sie nicht bereit zu tun. Aber sie könnte zurück in den Supermarkt, um die gleiche Zeit gehen. Mit etwas Glück war er ein Stammkunde. Sie könnte sich bedanken und ganz nebenbei fragen, ob er was wusste. Dann bliebe die Entscheidung bei ihm. Sie würde ihm schon erklären, wie gefährlich es sei.

»Also, wenn Ihnen nichts weiter einfällt, werde ich das weitergeben«, holte Thomas sie ins Büro zurück, »sind Sie sicher, nicht in ein Hotel zu wollen?«
»Ganz sicher. Er findet mich überall, zuhause weiß ich, wo ich fortlaufen könnte. Und Polizeischutz will ich keinen.«
»Überlegen Sie es sich, bitte. Diesmal hatten Sie Glück.«
Stella stand auf, schüttelte dem Kommissar die Hand.
»Nein, das war ein Wunder. Mein Vater kam aus dem Jenseits, um mir zu helfen, einen besseren Schutz könnten Sie nicht gewähren. Danke trotzdem für Ihr Angebot.«
Mit diesen Worten verließ Stella das Büro des Kommissars.

Noch an der Kasse stehend meldete sich mein Kunde per SMS. 'Hallo Jonas, Geld ist überwiesen inkl. Verzug.' steht in ihr. Kein Gruß. Es ist erstaunlich, was eine Packung Eis alles bewirken kann.
Auf dem Weg nach Hause komme ich an einem Park vorbei. Im Augenwinkel sehe ich den alten Mann aus dem Supermarkt über die Wiese laufen. Er geht auf Georg zu. Neugierig geworden parke ich in Sichtweite zu Georg und dem alten Mann am Straßenrand. Mein Auto, in dem ich unterwegs bin, verfügt über eine Vollausstattung, die sich sehen lassen kann. In einem kleinen Kühlfach verstaue ich die Kühlware aus dem Einkauf und nehme mein Richtmikrofon aus einer Seitenklappe. Es ist mit wenigen Handgriffen aufgebaut und ausgerichtet.
»Was ist los, Walli?«, spricht Georg den alten Mann an.
»Ich hab' sie fast umgerannt, deine Ex.« Ein leichtes Zittern klingt in der Stimme des Alten mit.
»Wieso denn das?«
»Verschreckt hat sie mich, weil ich denk, die ist tot!«
»Und dann steht sie vor dir. Hat dich jemand gesehen?«
»Nein, das war im Supermarkt vom Tim. Bevor jemand kam, bin ich weg. Die Ketzerin hat mich nicht erkannt, weil sie unter einem Stapel Dosen lag.«
»Ist gut, ich kümmere mich darum. Bete um Vergebung für deine Eigenmächtigkeit und geh jetzt, bitte, ich muss noch telefonieren.«
Der alte Mann ist sichtlich verwundert über den harschen Ton am Ende des Gesprächs. Das Wort Vergebung ließ ihn zusammenzucken. Als Georg zu Wählen beginnt, geht er.
»Tim, ich bin's«, fängt er an. Leider kann ich nicht hören, was Tim sagt, jedoch folgt nach einer kurzen Pause, »ihr hattet heute einen Zwischenfall mit einer Kundin, stimmt das?« Georgs Gesicht zeigt, dass er den Richtigen an der Strippe hat.
»Ja genau, alter Mann und Dosenstapel. Zu dem Zeitpunkt hattet ihr eine Kamerastörung. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann! Es ist wegen Walli, der von der letzten Bibelstunde.«
Mit einem zufriedenen Lächeln legt er auf, zögert und wählt erneut. Als mein Handy klingelt, kann ich mir denken, was er von mir will.

Tim saß an seinem Laptop, zeigte Kommissar Fuchs den schwarzen Bildschirm.
»Sehen Sie selbst, ich hatte einen Virus im System, sämtliche Dateien sind verloren gegangen. Es tut mir schrecklich leid, Ihnen nicht helfen zu können.«
Thomas warf dem Geschäftsinhaber einen schiefen Blick zu.
»Haben Sie, denn keinen Virenschutz installiert?«
»Doch, doch aber dieser hier. Na ja, wie soll ich sagen? Heutzutage muss man diese Technik haben, um sich zu schützen. Leider bin ich fünfzig und kein Experte. Irgendwas habe ich wohl falsch gemacht. Früher kümmerte sich mein Sohn darum, da war ich sicher, dass der Virenschutz richtig installiert war. Das wird doch wohl nicht, dieser., wie war das nochmal, mit diesen Erpressern, die auch Krankenhäuser lahmlegten?«
»Sie meinen, Wanna Cry? Hören Sie, bei der Polizei haben wir eine exzellente Abteilung für Informatik. Geben Sie mir, Ihren Rechner mit und wir werden sehen, ob wir doch nicht, die verlorenen Dateien wiederfinden.«
»Pah, verloren ist verloren. Das hatte ich schon mal. Ne Saubande, die das tun. Als ob diese Hacker nichts Besseres zu tun hätten. Ich brauche meinen PC, für meine Bilanzen. Hoffentlich sind die nicht auch fort.«
»Eine Straftat steht im Raum und ich darf alles mitnehmen, was zur Aufklärung des Falles helfen könnte. Eine Frau wurde hier gestoßen und der Täter läuft frei herum.«

Später saß Thomas mit dem Rechner in seinem Wagen. Diesen Tim Becker würde er nicht aus den Augen lassen. Seine langjährige Erfahrung, ließ ihn spüren, wenn er einen Lügner vor sich hatte. Thomas konnte nicht glauben, dass Tim sich so wenig in Informatik auskannte. Sein ganzes Benehmen war ihm gekünstelt vorgekommen, angefangen bei seiner zu großen Höflichkeit. Nachdenklich fuhr Thomas zur KTU. Er wusste, dass Dateien nicht so leicht verschwanden, außer, man war richtig gut und hatte das richtige Material. Irgendwas würde ihm der Rechner liefern und sei es ein verschwommenes Bild.
Aber das würde reichen, um den Verdächtigen zu suchen.

Georg, mein Broker, klingelt mich übers Handy an. »Ich hab' was Anspruchsvolles für dich. Hast Du Zeit?«
»Ja, schick mir die Daten.«
»OK, diesmal muss es schnell gehen. Das Limit liegt bei 24 Stunden. Tarif wie immer.«
»Geht klar.« Ich lege auf. Georg liefert die Daten immer recht schnell. Wenn ich zuhause bin, kann ich mir ansehen, was er will. Bis zum Abendessen steht die Strategie. Anspruchsvoll ist zwischen Georg und mir das Codewort für ein unauffälliges Ableben. Nachdem, was ich auf der Wiese hörte, kann es sich nur um die beiden aus dem Supermarkt handeln. Wenn's der Alte ist, hab ich schon eine Idee. Der sieht aus, als ob ihm sein Herz Probleme macht. Ein wenig Digitalis sollte reichen, im all seine Probleme zu lösen. Zwei oder drei Blätter von den Fingerhüten meines Nachbarn sollten reichen.
Um die Frau wäre es schade. Sie war nett. Wegen der Verbrennungen wird sie auf Schmerzmittel angewiesen sein. Überdosierungen kommen zum Glück immer wieder vor.

Zuhause angekommen schaue ich mir die Emails an. Georg lieferte wie abgesprochen eine Nachricht mit einem einzigen Bild darin. In einer Bilddatei, die ein Panorama aus den Alpen zeigt, sind alle Infos verschlüsselt eingebettet. Dazu gehört eine Vita von der Zielperson mit einem Bild, das einen mir vage bekannten Mann in meinem Alter zeigt.
Erinnerungen poppen auf. Ich sah ihn vor vielen Jahren mit einem Maschinengewehr vor der Brust. Wir aßen in zerstörten Häuserschluchten kalte Ravioli aus Dosen. Es war Schichtwechsel an der Front. Mit meinem Zug löste ich damals Georgs Truppe ab.
»Es wurde langsam Zeit, dass ihr kommt, Jonas« begrüßte er mich damals, »heute war der Teufel los. Tim und mir ist beinahe die Munition ausgegangen.«

Wie schon am Morgen zuvor wanderte Stella durch den Supermarkt. Immer wieder sah sie sich unsicher um. Zum einen fürchtete sie sich, erneut Opfer eines Anschlags zu werden, zum zweiten wollte sie unbedingt den netten Mann, der ihr aufhalf, wiederfinden. Noch lieferte der Rechner, den Kommissar Fuchs beschlagnahmte, keine Ergebnisse. Seltsam, dass dem Geschäftsinhaber diese Dateien verloren gingen. Ob er mit in der Sache drin hing? Wer war der fremde Alte? Wie war Georg ihr auf die Spur gekommen? Während Stella so vor sich hin grübelte, erblickte sie einen alten Mann in grüner Jacke und mit Gehstock, der gerade eine Cola Flasche aus dem Regal holte. Stella wich zurück, ohne zu wissen, ob er der Täter war. Gerade wollte sie fortlaufen, als der Mann einen stöhnenden Schrei von sich gab. Röchelnd, mit der Hand auf der Brust, sackte er zu Boden. Die Flasche brach in unzählige Stücke. Stella dachte nicht lange nach und eilte zu ihm ihn. Sie griff in ihre Tasche, fingerte ihr Handy heraus und wählte den Notruf.

»Haben Sie keine Angst, der Rettungswagen kommt. Sie dürfen sich nicht mehr bewegen.«, beruhigte sie den Kunden.
Er sah zu ihr auf, röchelte.
»Georg, nächst …«
»Was?«
Er schloss die Augen. Stella rüttelte ihn, fühlte den Puls.
»Asystolie!«, schrie sie dem herbeieilenden Verkäufer, »Ich brauche den Defi. Ich muss schocken.«
Der Verkäufer rannte los, um den Defibrillator zu holen.
Stella übersteckte den Kopf, kontrollierte die Atemwege und begann die Herzdruckmassage. Nach einer gefühlten Ewigkeit erlöste sie der herbeigerufene Rettungsdienst. Stella verließ schweißgebadet und erschöpft das Geschäft. Draußen sank sie auf einen Caféstuhl und bestellte eine kühle Limo. Während sie auf die Bestellung wartete, hörte sie die nette, freundliche Stimme. Ihr bereits rasendes Herz schlug noch einen Takt schneller.
»Ich hätte gerne ein Eis, bitte.«, orderte er gerade.
Sie wand sich um und sah den Mann, der ihr aufhalf. Sie lächelte kurz, stand auf.
»Entschuldigen Sie bitte, darf ich mich zu Ihnen setzen?«

Verwundert drehe ich mich um und erkenne sie sofort. Ihre Frage, ob sie sich zu mir setzen darf, freut mich ungemein.
»Ja natürlich«, antworte ich, »wie geht es ihnen?«
»Frische Pfirsiche bekommen mir besser«, entgegnet sie mit einem entspannten Lächeln.
»Ich war in Sorge als Sie, weiß wie die Wand, aus dem Supermarkt gingen.«
Mit den Worten »mich bringt so schnell nichts um!«, funkeln ihre Augen voller Leben. Wir reden einfach so drauf los. Kommen von Hölzchen auf Stöckchen, sind schnell beim du. Stellas Anwesenheit ist für mich ein Augenblick Normalität, in dem ich die Welt vergessen kann, die mich schon so lange gefangen hält.
Ihre entspannte Art überträgt sich auf mich. Ich finde die Ruhe in mir, die ich schon so lange vermisse, bis ich Tim sehe. Er sitzt auf der anderen Straßenseite in einem Imbiss. Auffällig unauffällig beobachtet er uns. 'Ein Anfänger' denke ich und bemerke zu spät den Stimmungsbruch.

Ein wenig zu höflich verabschiedet sich Stella. Sie wirkt verstört. Wie soll ich ihr meine Welt erklären? Sie würde es nie verstehen. Mit jedem Schritt, den sie sich entfernt öffnet sich wieder der Graben, der unsere Welten trennt. Gedanklichen verabschiede ich mich mit einem feigen 'es tut mir leid, lebe wohl' und sehe wie Tim Stella verfolgt. Es ist wie ein Stich in mein Herz, sie als Ziel zu sehen. Das hat diese Frau nicht verdient. Ich gehe der verwunderten Bedienung entgegen, geb ihr wortlos ein dickes Trinkgeld, weil ich nicht aufs Wechselgeld warten will. Mein Blick ist fest auf Tim gerichtet. In Sekundenbruchteilen wechsele ich in den Jagdmodus. Wenn er es auch nur versucht, ihr ein Haar zu krümmen, wird sein unauffälliges Verschwinden für die nächsten Jahrzehnte ein Rätsel bleiben.

Die Verfolgung währt kurz. Stella wohnt nur ein paar Straßen weiter in einem fünfstöckigen Mehrfamilienhaus. Tim geht auf Lauerstellung. Ich auch!

Thomas Fuchs blickte verstohlen auf den Bildschirm. Das Bild, das sich ihm bot, war zu verschwommen. Ein Schatten schob einen Wagen, vor ihm glänzte Stella in unwirklichen Konturen vor einem Dosenstapel. Dass es Stella war, wusste Thomas nur dadurch, dass sie umgerannt wurde. Kein Mensch war auf den Bildern deutlich zu erkennen.
»Besser kriegst du das nicht hin?«
Der Techniker schüttelte verneinend den Kopf. Thomas seufzte hörbar, als sein Handy klingelte.
»Guten Tag, Thomas Fuchs, mein Name. Mit wem spreche ich?«
»Stella Tramontin. Herr Kommissar, ich muss mit Ihnen sprechen, dringend. Ich glaube, ich habe den Mann, der mich stieß, wiedererkannt. Er war im Supermarkt und, und.«
»Beruhigen Sie sich. Was ist genau geschehen?«
»Er erlitt einen Anfall.«
»Wann?«
»Vor einer Stunde.«
»Gut, ich bin in einer halben Stunde in meinem Büro. Kommen Sie ruhig.«
»Ja, ich … Ah, Hil …«
Stellas gellender Schrei ließ den Kommissar kurz zusammenfahren.
»Hallo, sind Sie noch da?«
Einzig die Stille antwortete, die Verbindung war fort. Rasch rief er eine Streife und seine Kollegin Sam zur Verstärkung. Mit Blaulicht und Sirene rasten sie durch den dichten Innenverkehr. Er fasste kurz das Geschehene für Sam zusammen.
»Sie redete ganz normal, als ich ein lautes Krachen vernahm, sie schrie und weg war die Verbindung. Ich hoffe, wir kommen nicht zu spät.«
»Sie müsste unter Zeugenschutz stehen. So wie im Krankenhaus.«
»Das wollte sie nicht. Ihr Vater kann sie besser aus dem Jenseits schützen, sagte sie mir.«
Sam verdrehte die Augen. Sie gehörte der Sorte von Menschen, die nur das glaubten, was ihre Augen erfassen konnten.
»Na, dann hoffe ich, dass wir schnell zur Stelle sind. Auf diese Art Hilfe ist wenig Verlass.«
Schweigend fuhren sie den Rest der Strecke, beide auf das Schlimmste gefasst.

Kurz nachdem Stella ins Haus geht, wird Licht in einer Wohnung im dritten Stock eingeschaltet. Tim hockt immer noch in seinem Versteck, sieht dies, schaut sich kurz um und geht zu Stellas Haus. Er öffnet die Haustür. Als sie zufällt, folge ich ihm.

Das Schloss der Haustür hätte sich die Hausverwaltung sparen können. Ein kleiner Ruck, und die Tür springt auf. Ein gellender Schrei von drinnen lasst mich zusammenzucken. Tim - Stella - hoffentlich bin ich nicht zu spät!
Mehrere Stufen auf einmal nehmend, renne ich in den dritten Stock. Eine Tür ist aufgebrochen. An der Klingel steht S. Tramontin. Vorsichtig und auf alles gefasst, gehe ich hinein. Durch einen Spalt in der Wohnzimmertür sehe ich Stella verdreht auf dem Boden liegen. Sie ist bewusstlos aber unverletzt. Tim beugt sich über sie. Hinter seinem Rücken sehe ich ein langes Messer. Er prüft ihren Puls an der Halsschlagader. Stella hält in ihrer Hand ein Telefon. 'Wir kommen' kann ich noch aus ihm hören, als Tim es ihr aus der Hand nimmt und auflegt.

Mit zwei schnellen Schritten bin ich bei ihm. Ein gezielter Schlag auf die Schläfe setzt ihn außer Gefecht. Ich nehme das Mobilteil und schlage die Anrufhistorie auf - 'Kripo Fuchs' steht in der Anzeige. Polizei kann ich gar nicht gebrauchen.

Mit einem Taschentuch wische ich das Telefon ab und lege es in der Basisstation ab. Tim nehme ich auf die Schultern und gehe aus der Wohnung. So komme ich aus dem Haus nicht raus. Der Weg nach unten ist mir somit verwehrt. Deshalb gehe ich die Treppe hinauf. Vielleicht lässt sich Tim unter dem Dach verstecken, bis ich ihn abholen kann. Sorgen macht er keine mehr.

Als ich das Haus verlasse, bremst davor quietschend eine Streife. Ein Mann und eine Frau in Zivil springen aus dem Wagen. Sie rennen mich fast um, als ich ihnen dir Tür aufhalte. Jetzt nur weg von hier! Stella ist außer Gefahr.

Zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete Thomas die Treppen hoch, seine Kollegin dicht hinterher. An Stellas Etage angekommen, verlangsamten beide das Tempo. Vorsichtig näherten sie sich der offenen Tür, zogen ihre Waffen heraus. Gefahr war in Verzug. Von Thomas gedeckt, betrat Kim das Appartement. Sie sah Stella bewusstlos auf dem Boden liegen, doch das war nicht ihre Priorität. Erst musste sie den Ort sichern. Raum um Raum überprüfte sie die Wohnung, zu groß war die Gefahr, dass der Täter noch vor Ort sein könnte.
Erst als sie aus dem letzten Raum, »Klar«, rief, steckte Thomas die Waffe ein, beugte sich über Stella. Rapide fühlte er den Puls an ihrer Halsschlagader.
»Sie lebt. Ruf den Rettungsdienst hoch.«
Während Kim die Sanitäter anfunkte, schoss Thomas ein Bild vom Tatort, sah sich um, prägte sich jedes Detail an. Sobald der Rettungsdienst passiert wäre, würden viele Spuren verloren sein, der Tatort kontaminiert.

Später im Büro saß Thomas, die Stirn in Falten gelegt, an seinem Schreibtisch. Kim legte gerade auf.
»Thomas, der Mann aus dem Supermarkt ist zur Obduktion gebracht worden. Er heißt Martin Hold und ist eben im Spital verstorben, allerdings weist sein Blut Auffälligkeiten auf.«
»Wie bitte? Entschuldigung, ich war in Gedanken versunken. Ich dachte an Frau Tramontin. Sie hatte nochmal Glück, nur eine leichte Gehirnerschütterung. Diesmal lasse ich sie selbst nach der Entlassung überwachen.«
»Gute Idee. Ihr Gespenst hat sie diesmal nicht beschützt.«
»Aber jemand anders.«
»Wie kommst du darauf?«
»Neben Stella lag ein Messer, wer auch immer sie niederschlug, hatte genug Zeit, sie zu erledigen. Entweder konnte er es nicht fertigbringen, was ich nicht glaube, angesichts, der angewandten Energie, um sie zu finden. Eher wurde er gestört. Von wem, das ist die Frage.«
»Moment, da war doch dieser Typ, der uns die Tür offenhielt. Warte, ich erinnere mich grob und zeichne ein Phantombild von ihm.«

Es ist mitten in der Nacht. Vor einer Stunde gingen im Haus die letzten Lichter aus. Jetzt ist die Zeit Tim vom Dachboden zu holen. Ich hoffe nur, dass bisher noch keiner die einsetzende Verwesung roch. Mit einem 'geliehenen' Hybrid-SUV fahre ich zum Hintereingang. Die Umschaltung zum lautlosen Elektroantrieb beginne ich bei diesen Gefährten immer mehr zu schätzen.

Durch den Hintereingang schlüpfe ich ins Untergeschoss, knacke das rostige Schloss der Kellertür und gelange problemlos ins Treppenhaus. Ich gehe direkt zu Tim. Zuerst stecke ich ihn in einen großen Plastiksack, den ich vorsorglich mitnahm. Das Haus ist es totenstill, als ich mich, mit Tim auf den Schultern, durch den Keller verdrücke. Tims finale Entsorgung übernimmt das Wehr einer Staustufe in der Nähe der Stadt. Eine Nacht in den Fanggittern, bei konstant anliegender Strömung, vernichtet alle Beweise. Schwemmgut erzeugt zusätzliche Verletzungen, die die Identifikation der Leiche und somit den Grund meines Auftrags verzögern werden. Ich muss nur darauf achten, dass er in die Unterströmung gezogen wird. Mit etwas Glück entdeckt ihn das Personal erst bei der nächsten jährlichen Wartung.

Die Fahrt mit dem Wagen ist entspannend. Es schmerzt mir in der Seele, dass ich ihn ebenfalls von allen Spuren bereinigen muss. Ein als 'alte Fabrik' bekannter abgelegener Jugendtreff, ist mein Ziel dafür. Dort gehen öfters mal Autos in Flammen auf. Einer mehr wird nicht auffallen. Den Rückweg gehe ich zu Fuß. Ich muss nachdenken. Wer gab den Auftrag zu Stellas Mord? Warum soll sie sterben?

Hoffentlich kann mir Georg weiterhelfen. Wenn er es jedoch auch nicht weiß, dann haben wir ein ernstes Problem.

Weiß war die Zimmerdecke, die Stella schon eine Weile anstarrte. Ihre Gedanken fuhren Karussell, immer wieder musste sie an den Überfall denken.
»Wollen oder können Sie mir nicht antworten?«, holte Kim sie aus ihren Gedanken heraus.
Stella wand sich ihr zu, warf einen erneuten Blick auf das Phantombild. Ob sie den Mann kannte? Ihres nächsten Schritts unsicher, bat sie um eine neue Flasche Wasser. Thomas nickte, schickte Kim hinaus. Er aber blieb.
»Frau Tramontin, warum reden Sie nicht? Hören Sie, der Mann, den Sie versucht haben zu retten, ist tot. Alles deutet auf Vergiftung hin. Sie verdächtigten ihn, sie gestoßen zu haben. Warum sind Sie aber bei diesem Bild unsicher? In ihrem Wohnhaus lebt er nicht und ist keinem ihrer Nachbarn bekannt.«
»Ich, ich, weiß es nicht. Ich denke schon, dass er ein Zeuge sein könnte, aber ich möchte nicht Unschuldige in Gefahr bringen. Ich denke nicht, dass er mich überfallen hat.«
Thomas unterdrückte einen Seufzer. Was sie dachte oder glaubte, war für ihn nicht von Bedeutung. Wichtig war einzig, was sie sah und erlebte.
»Dessen können Sie sich nun nicht sicher sein.«
»Er ist nett, charmant und helfend. Als ich in den Dosen fiel half er mir auf. Würde das ein Mensch tun, der mich umbringen möchte?«
»Nun, wir haben sein Bild durch unsere Rechner laufen lassen. Polizeilich ist er noch nicht in Erscheinung getreten, nicht mal ein Verkehrsdelikt. Aber in einer Datei haben wir ihn aufgestöbert. Er diente in der gleichen Kompanie wie ihr EX-Mann.«
Thomas Satz war wie ein Schlag in Stellas Magengrube. Konnte dieser Mann wirklich mit in der Sache drin hängen? Sie dachte an das Café zurück. Sie wollte ihn treffen, um ihn als potenziellen Zeugen zu bekommen. Sie hatten über vieles gesprochen, vom Wetter, vom Eis, nur nicht über das Thema, das sie hatte aufbringen wollen. In seiner Nähe fühlte sie sich wohl, zum ersten Mal seit dem Anschlag hatte sie sowas wie Normalität empfunden. Er hatte nicht auf ihre Verbrennungen gestarrt, hatte sich mit ihr, wie mit einer Dame unterhalten. Konnte dieser Mensch in Wahrheit ein Mörder sein? Das konnte, wollte sie nicht glauben. Hätte ihr Vater sie nicht vor ihm gewarnt? Sie hätte sicher ein flaues Gefühl bekommen, so wie kurz vor dem Anschlag und dem Überfall. Bei diesem John hatte sie nichts Derartiges empfunden. Sie musste ihn treffen. Irgendwie.

Mein Gespräch mit Georg endete unbefriedigend. Ich bin verantwortlich für Stellas Verbrennungen. Die Bruderschaft, die beim Anschlag auf das Planetarium Probleme mit Stellas versehentlichen Verletzungen hat, plant jetzt einen Mord. Ich glaube es immer noch nicht, aber Georg und ich schworen uns absolute Ehrlichkeit, als wir die Zusammenarbeit vor einigen Jahren begannen. Es gibt keinen Zweifel, dass sich die Bruderschaft weiter radikalisiert. Aber wer hat, außer dem Guru und Georg, genug Einfluss in diesem Laden, um einen Mord in Auftrag zu geben?

Der nächste logische Schritt ist, Stella so schnell wie möglich aus der Schusslinie zu bringen. Doch dazu muss ich zu ihr ehrlicher sein, als ich es in dem Café sein konnte. Wie viel meiner Vergangenheit kann ich mir gegenüber einer wahrheitsliebenden Frau erlauben, ohne sie zu verlieren? Sie stirbt, wenn ich ihr nicht helfe. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. Meine offizielle Vita wird in kleinste Fragmente zerspringen, bis diese Aktion beendet ist.

Meine Hände zittern ein wenig beim Wählen ihrer Nummer, die ich eigentlich gar nicht haben dürfte. Es klingelt drei Mal bis sich Stella meldet. »Tramontin«
»Hallo Stella, hier ist Jonas Graßmann«, meine Bemühungen nach Authentizität klingen jämmerlich, »in dem Café nannte ich mich John und das ist nicht das Einzige über das wir reden müssen.«
»Hast du meine Nummer von Georg?«
»Nein - von mir wird er sie auch nicht erfahren.«
»Was willst du von mir?«
»Die Bruderschaft ist hinter dir her und weiß, wo du wohnst. Ich kann dir helfen unterzutauchen.«
»Ich fliehe nicht mehr vor diesen Brüdern!«
»Es muss keine Flucht sein. Sehe es als eine Neuformierung vor dem Gegenschlag.«
»Wie kann ich dir noch trauen?«
»Tim hatte das Messer in der Hand, als ich ihn in letzter Sekunde überwältige. Er ist kein Problem mehr. Du bist jedoch zwischen die Fronten eines Krieges geraten, den noch keiner zur Kenntnis nahm. Kommissar Fuchs kann dir nicht helfen. Aber ich kann es.«
»Wieso machst du das?«
»Das sage ich dir in einer Stunde. Ich warte mit einem Auto vor deiner Haustür - eine Minute und keine Sekunde länger. Wenn du mir nicht traust, kannst du ja die Polizei rufen. Nimm' Wechselkleidung für drei Tage mit. Du wirst sie brauchen.«

Fassungslos starrte Stella auf das Telefon. Er hatte angerufen. Ihr geheimnisvoller Helfer. Er hatte zugegeben, dass er sie betreff seines Namens angelogen hatte. Sie schloss die Augen. Treffen sollte sie ihn. Damit er sie in Sicherheit brachte. Wieder fliehen. So wie damals, als Georg immer gewalttätiger wurde, nicht mal die Scheidung brachte Ruhe. Georg war ihr auf Schritt und Tritt gefolgt, nirgends war sie sicher gewesen. Erst eine neue Identität brachte vorübergehend Frieden. Konnte Jonas möglicherweise einfach wie sie untergetaucht sein, aus Angst vor der Bruderschaft? Aber wenn er sie gerettet hatte, wo war der ursprüngliche Angreifer? Was hatte Jonas mit ihm gemacht? Eigentlich hatte sie ihn schützen wollen, ihn bisher als einfachen Zeugen betrachtet, den sie nicht in Gefahr bringen wollte. Thomas Enthüllungen hatten sie irritiert, der Anruf vollends aus dem Konzept gebracht.
»Vater, was würdest du tun?«, fragte sie das stumme Bild, wo ihr Vater lächelnd in Schornsteinfegermontur posierte.

Lange betrachtete sie das Bild, fuhr sich mechanisch über die zweitgradigen Verbrennungen. Sie hatte unglaubliches Glück gehabt, darin waren sich Kim, Sam und Thomas einig. Aber Stella wusste, dass ihr Vater den Großteil der Explosion von ihr abwandte, davon war sie felsenfest überzeugt. Nein, ein Vater konnte sein Kind schützen, aber ein Kind durfte nicht leichtsinnig werden. Was hatte sie sich denn gedacht, diesen Jonas nicht zu erwähnen, ihn schützen zu wollen? Das war falsches Mitgefühl gewesen, es war Zeit mit Thomas oder einer seiner beiden Assistentinnen Kim oder Sam zu reden. Sie würde schon zu dem Treffen gehen, nicht aber ohne einige Vorkehrungen. Wie dumm von ihr, einen Menschen, den sie nicht kannte, schützen zu wollen?

Laut klingelte Thomas Handy.
»Kommissar Thomas Fuchs am Apparat? Wie kann ich helfen?«
»Stella Tramontin, hier. Ich muss mit Ihnen reden. Ich erhielt eben einen Anruf.«
Schweigend hörte Thomas zu.
»Passen Sie auf, wir machen Folgendes.«

Stellas Unterschlupf war schnell organisiert. Dafür forderte ich zwar einen Gefallen ein, aber, was soll's. Es fühlt sich richtig an. Noch fünf Minuten, dann ist es soweit. Ich hoffe inständig, dass sich Stella zu diesem strategischen Rückzug überwinden kann. Seitdem ich hier in der Nähe des Treffpunkts stehe, suche ich in meinem Auto sitzend die Gegend nach Verdächtigem ab. In dieser halben Stunde ist mir noch nichts aufgefallen. Unweigerlich wandert mein Blick auf die Uhr - noch drei Minuten.

Ein Rotfuchs geht durch die Grünanlage mir gegenüber. Obwohl ich ihr Gesicht nicht sehen kann, bin ich mir sicher, dass ich diese Frau schon mal gesehen habe. Gestern an der Haustür von Stellas Wohnhaus. Bei dem Tempo, dass sie mit ihrer Begleitung draufhatte, kann sie nur von der Polizei sein. Sie war auf dem Weg, um Stella zu helfen. Kommissar Fuchs würde passen - noch zwei Minuten.

Ich kann die Falle förmlich spüren. Laut Lehrbuch müsste ich jetzt gehen. Jede Entscheidung bedingt Konsequenzen. Ihre Entscheidung - ihr Problem. Das ist ungerecht. Für mich wäre es einfacher, wenn sie meiner Schwester nicht so ähnlich sehen würde. Beata's Grabstein steht auf dem Frankfurter Südfriedhof. Mein Instinkt schreit mich an. 'Stella ist nicht deine Schwester, HAU AB!'. Mein Gewissen haucht, 'ohne dich stirbt sie' und gewinnt. Gegen allem was ich lernte, ruf ich Stella an. Es klingelt zwei Mal.
»Tramontin«, meldet sie sich.
»Jonas hier, kann ich mal den Polizisten sprechen, der bei dir ist?«
»Wie kommst du darauf …«, will sie mir widersprechen.
»Ich hab' die Rothaarige gesehen«, unterbreche ich sie, »es ist wichtig.«

Der Hörer wird mit einer Hand abgedeckt. Eine tiefe Stimme spricht, ohne das ich sie verstehen kann. Stella spricht mit einem Mann. Der Tonfall ist kontrovers. Schließlich überzeugt sie ihn dranzugehen.
»Ich bin Kommissar Fuchs. Stellen Sie sich Herr Graßmann und wir können über alles reden.«
»Solange die Bruderschaft Stella ans Leder will? Keine Chance!« Wenn ich mich stelle, bin ich erledigt. Vielleicht lässt sich der Kommissar zu einer Zusammenarbeit überreden.
»Wir können reden, aber nicht hier, sondern auf dem Gelände der alten Fabrik. Dort, wo das Auto gestern brannte. In fünf Minuten. Nur Sie und jemand, der mit mir abtauchen und auf sich aufpassen kann.«
»Wieso sollte ich darauf eingehen?«
»Wir wollen beide Stella retten. Das können wir nur, wenn wir uns ein paar Tage lang gegenseitig helfen.«

Sam schnürte ihren Pferdeschwanz zurecht, fest schaute sie Thomas in die Augen.
»Ich weiß, was ich tue. Untergrundaktionen sind mein Gebiet. Er wird mir nichts tun.«
Thomas antwortete nicht. Er wusste, wozu Sam fähig war. Sie deckte einen Ring von Kinderpornografie auf, hatte sich dafür einen Monat lang als potentielle Käuferin ausgegeben. Dafür hatte sie in eine besondere Wohnung einziehen und ihre Identität ändern müssen. Sam war mutig, allzu gut hatte sie gewusst, was ihr blühte, sollte sie auffliegen. Das war der Haken an derartigen Missionen. Man war vielfach auf sich alleine gestellt und musste Dinge tun, die nicht unbedingt dem Gesetz treu waren. Aber dabei darauf achten, integer zu bleiben.
»Dieser Jonas hat vermutlich den Täter in Stellas Wohnung umgebracht«, erinnerte Thomas sie.
Sam zuckte mit den Schultern, warf sich ihre Jeansjacke über ihr graues T-Schirt.
»Jonas ist ein Auftragskiller. Er tötet aus Profit, nicht aus Lust am Quälen. Jeder Mord hat einen Grund. Gefährlich kann er mir nur werden, wenn ich ihn in seiner Existenz bedrohe. Aber das wird nicht der Fall sein, solange wir beide das gleiche Ziel verfolgen.«
Die Tür ging auf. Stella stand mit gepackter Tasche im Türrahmen ihres Schlafzimmers. Kurz kreuzte sie Sams Blick.
»Sie müssen das nicht tun.«
»Es ist meine Pflicht. Nicht nur für sie«, antwortete Sam in ruhigem Ton.
Stella wollte etwas erwidern, doch ein Schutzpolizist griff ihre Tasche und leitete sie schnellstens nach draußen. Es war an der Zeit sie in ihr Hotel zu fahren. Thomas und Sam gingen nach unten.
»Kim, bist du in Position?«, fragte Thomas über Funk.
Statisches Knistern antwortete ihm. Fragend sah er zu Sam hinüber. Sie marschierten zu Kims Wagen, der unweit der Wohnung geparkt war. Er war leer. Auf dem Boden lag ihre Pistole. Ihnen schwante, was vorgefallen sein könnte.
»Er hat sie. Sicher als Garantie, dass wir kommen«, mutmaßte Thomas.
»Dann lass uns gehen.«

»Sie sind zu spät, Herr Fuchs!«, hallt meine Stimme über den Hof der alten Fabrik.
»Wo sind Sie Jonas und was haben Sie mit meiner Kollegin gemacht?« Kommissar Fuchs klingt wütend.
»Kim geht es den Umständen entsprechend gut, Thomas.« ich stehe an einer teilweise eingebrochenen Wand und kann vom zweiten Stock aus den Kommissar neben dem ausgebrannten SUV sehen. »Sie versucht seit knapp zehn Minuten, sich von einem Stuhl zu befreien, an dem sie gefesselt ist. Haben Sie noch weitere Kandidaten?«
»Wie kommen Sie darauf, dass wir mit Ihnen zusammenarbeiten?«
»Weil Stellas Leben in Gefahr ist, und ich der Einzige mit Kontakt zur Bruderschaft bin, der euch zur Verfügung steht? Wir sollten …« Eine Glasscherbe scharrt kurz hinter mir über den Boden.
»Überraschung!«, haucht Sam, legt dabei ihr schönstes Lächeln auf, während ihre Dienstwaffe auf meinen Kopf zielt.
Langsam dreht ich mich um. »Sieh an, eine weitere Kandidatin.« 'Sie hat mumm', denkt ich und 'durchtrainiert ist sie auch.' »Du weißt, dass du gerade einen riesigen Fehler gemacht hast?«
»Welchen?«
Mit einem gezielten Schlag nehme ich Sam die Waffe aus der Hand, »Bewaffnet immer Abstand halten!« Routiniert entriegle ich den Lauf, zerlege die Pistole in ihre Einzelteile und lasse sie zu Boden regnen.
Mit einer eleganten Körperdrehung schert Sam mir die Beine weg. »Waffen sind eigentlich nicht mein Ding.«
»Ist mir auch gerade aufgefallen«. Beim Aufstehen klopfe ich mir den Staub von der Kleidung, »schickt dich der Kommissar?«
Sam geht entspannt zwei Schritte zurück, »nein, bin freiwillig hier, um Kim zu holen.«
»Die ist im ersten Stock. Die Tür mit dem großen roten X. Ist das alles?«
»Du wolltest Hilfe, hier bin ich.«
»Dann lass uns gehen, hier ist es nicht sicher für mich.«
Sam bückt sich, um die Einzelteile der Waffe aufzuheben.
»Lass sie liegen Schätzchen und leg' dein Handy gleich dazu«, schnauzt ich sie an.
»Ich heiße Sam und bin für die Waffe verantwortlich!«, antwortet sie schnippisch.
»Thomas kann sich darum kümmern. Entscheide dich. Kommen oder bleiben. Ich gehe jetzt.«
Beim Gehen sehe ich noch, wie sie etwas in ihr Handy eintippt und mir dann folgt.
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