Stichworte

  • Ort: Sauna
  • Protagonist: Erbschleicher
  • Gegenstand: Popcornmaschine
  • Umfang: 2400 Zeichen


Die Bibliothek

Ich liebe die Sauna. Bei den Aufgüssen kann ich richtig entspannen, so gut wie mit einem spannenden Buch. Seit heute habe ich sogar meine eigene Bibliothek.

Vor der Sauna war ich beim Notar wegen meinem Nachbarn. Eine echt üble Sache, die dort in den letzten Jahren gelaufen ist. Er war alt und allein. Von seiner Familie hat sich im letzten Jahr keiner blicken lassen, außer zu Weihnachten, wenn es Geschenke gab. Dazwischen hat der alte Mann, eine Leseratte wie sie im Buche stand, seine Zeit mit Büchern verbracht. In seiner Bibliothek stehen echte Raritäten, von denen ich mir auch welche leihen durfte.

Vor einigen Jahren bekam er Probleme mit den Augen. Grauer und grüner Star nahm ihm das Liebste, und damit ist nicht seine Familie gemeint. Ich fing an ihm jeden Mittwoch aus einem Buch vorzulesen. Wir machten uns dabei immer Popcorn mit einer richtig guten Maschine aus den 50er Jahren. Es war wie im Kino, nur dass ich halt vorgelesen habe.

Vor drei Wochen verstarb er beim Mittagsschläfchen. Friede seiner Seele.

Ich war überrascht, als ich zur Testamentseröffnung eingeladen wurde. Zuerst zögerte ich, schließlich wollte ich nicht Erbschleicher genannt werden. Mit mulmigem Gefühl ging ich hin. Die Familie beäugte mich mit skeptischem Blick. Im ersten Akt erbten sie nur ein paar Aktien mit geringem Wert, während ich die uralte Popcornmaschine bekam. Es war deutlich zu spüren, dass sie mir dieses Kleinod nicht gönnten.

In einem zweiten Akt wurde der Familie freigestellt, die Bücher zu erben. Sie durften jedoch in den nächsten zwanzig Jahren nur diejenigen verkaufen, die sie gelesen hatten. Als Beweis mussten sie eine Zusammenfassung von dem Buch schreiben, das sie verkaufen wollten und dem Notar vorlegen. In ihren Blicken sah ich Fassungslosigkeit. Nach einem kurzen Familienrat lehnten sie mit den Worten "Was sollen wir mit hunderten von Büchern, wenn wir sie nicht verkaufen können" ab. Damit gingen die Bücher an mich über.

Wenn sie bei den Weihnachtsbesuchen nur Mal in die Regale geschaut hätten, als nur nach den Geschenken zu gieren. Einige der verschmähten Werke sind nicht nur unterhaltsam, sondern auch tausende Euro wert.

Später werde ich mir erst mal ein gutes Buch vornehmen. Genügend Popcorn ist im Haus. Und morgen kaufe ich mir ein paar laufende Meter Regale aus edlem Holz. Ein Buch zur Finanzierung ist schon ausgewählt.

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